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„Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch.“ – Die Beleidigung § 185 StGB

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Schutzgut der §§ 185 ff. StGB ist die Ehre.
Ehre ist der Achtungsanspruch, der einer Person kraft seiner Persönlichkeit und seines sittlich-sozialen Verhaltens in der Gesellschaft zukommt.
Nach dem dualistischen Ehrbegriff besteht die Ehre aus zwei Teilen:
die innere Ehre ist der aus dem sittlichen und sozialen Persönlichkeitswert entspringende Achtungsanspruch einer Person
die äußere Ehre ist der „gute Ruf“ einer Person in Bezug auf diesen Persönlichkeitswert
Personen- und Kapitalgesellschaften können ehrfähig sein (vgl. § 194 III StGB und § 194 IV StGB). Voraussetzung ist die Fähigkeit zu einer einheitlichen Willensbildung und das Erfüllen einer anerkannten sozialen Funktion. Rein gesellige Vereinigungen wie z.B. der heissgeliebte Kegelclub sind nicht ehrfähig.

I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Tatobjekt
Tatobjekt können sein:
alle Menschen
Personengemeinschaften (dann heisst es „Kollektivbeleidigung“). Diese müssen eine anerkannte gesellschaftliche Funktion nach aussen gestaltend ausüben und einen einheitlichen Wollen nach aussen bilden können.
Lesenwert hierzu:
BGHSt 6, 186 (Zeitungs-„Hetze“):

„Eine Personengesamtheit, die eine rechtlich anerkannte gesellschaftliche Funktion erfüllt und einen einheitlichen Willen bilden kann, genießt strafrechtlichen Ehrenschutz“

Eine Kollektivbeleidigung ist nur dann möglich, wenn der Personenkreis zahlenmässig überschaubar und klar abgegrenzt ist, so dass dieser deutlich aus der Allgemeinheit hervorgehoben wird.

Lesenswert hierzu:
BGHSt 40,97 („Auschwitzlüge“):

„Dieser Tatbestand liegt hier allerdings schon deshalb nahe, weil die vom Angeklagten gebrauchten Formulierungen und die Begleitumstände seiner Äußerungen geeignet sind, das Verfolgungsschicksal der betroffenen Juden, welches Teil ihrer persönlichen Würde ist verächtlich zu machen.“

und
BGHSt 36,83 (Kollektivbeleidigung von Soldaten):

„Der Angeklagte hat sein Unwerturteil mit einem Kriterium verbunden, das eindeutig allen Soldaten zuzuordnen ist, weil es ein äußeres Verhalten und ein objektives Eingebundensein in das angefochtene Kollektiv beschreibt. Wer, wie er, den Soldatenberuf mit der Tätigkeit von KZ-Aufsehern, Henkern und Folterknechten vergleicht, greift deshalb ohne Einschränkung alle Soldaten an; die Frage, wem die abwertenden Äußerungen zuzuordnen sein könnten, stellt sich nicht.“

Familien sind grundsätzlich beleidigungsfähig, da diese unter die Kollektivbezeichnung fällt.

Tote können kein Tatobjekt sein, hier greift § 189 StGB

b) Tathandlung
§ 185 1. Alt. StGB – Nichttätliche Beleidigung

Beleidigung ist die Kundgabe der Nichtachtung, Missachtung oder Geringschätzung einer Person,die geeignet ist den Betroffenen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen.

Dabei gibt es verschiedene Varianten:

    Äusserung eines ehrkränkenden Werturteils gegenüber dem Betroffenen selbst. Bsp.: das Ansprechen mit Ausdrücken wie „asozialer Penner“ u.ä.
    Äusserung eines ehrkränkenden Werturteils über Personen gegenüber Dritten. Kleiner Stolperstein hier: Die Beleidigung muss außerhalb des sozialen Beziehunsfeldes ausgesprochen werden. Äusserungen im Familienkreis oder engsten Freundeskreis sind daher keine Beleidigung. Bsp.: Sagt Student S beim Abendessen seiner Mutter was für ein Idiot Professor P ist, handelt es sich nicht um eine Beleidigung.
    Unwahre ehrkränkende Tatsachenbehauptung gegenüber dem Betroffenen selbst.

§ 185 2. Alt. StGB – Tätliche Beleidigung

Hierbei handelt es sich um eine Qualifikation der nichttätlichen Beleidigung, Sie erfordert, dass eine unmittelbare körperliche Einwirkung auf den Betroffenen erfolgen muss, aus der sich der ehrenrührige Sinn ergibt. Dies ist z.B. der Fall wenn der Betroffene vom Täter angespuckt wird.

MeinungsstreitSchwierig ist im Allgemeinen die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil, da die Grenzen hier fliessend sind. Eine Tatsachenbehauptung liegt vor,wenn die Äusserung über konkrete Zustände in der Vergangenheit oder Gegenwart dem Beweis zugänglich sind.

Ein Werturteil liegt vor, wenn die Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer Behauptung als Sache persönlicher Überzeugung des Täters ist. Es handelt sich dann um eine subjektive Stellungnahme die vom Denken und Meinen des Täters geprägt ist.

In vielen Fällen fallen Tatsachenbehauptung und Werturteil zusammen. Hierbei muss dann auf den Schwerpunkt der getroffenen Aussage abgestellt werden. Leichter fällt dieses mit einem kleinen Trick:

Bei fachkundiger Äusserung oder empirisch nachprüfbaren Tatsachen -> Tatsachenbehauptung.

Bei Äusserung einer persönlichen Überzeugung -> Werturteil.

2. Subjektiver Tatbestand

a) Vorsatz (Eventual genügt)

II. Rechtswidrigkeit // Schuld

Die Rechtswidrigkeit entfällt, wenn einer der Allgemeinen Rechtfertigungsgründe greift.

Ebenfalls entfällt sie wenn die Beileidigung unter den § 193 StGB fällt.

Ebenso kann die Kollision von dem Schutz der Ehre und der Kunst- und Meinungsfreiheit in Art. 5 GG die Rechtswidrigkeit entfallen lassen. Lesenswert zu diesem Punkt ist BVerfGE 42, 143 (Deutschlandmagazin). U.a. heisst es im Urteil:

„Die Grundrechte der freien Meinungsäußerung und der Pressefreiheit, auf die die Beschwerdeführer sich berufen, finden nach Art. 5 Abs. 2 GG ihre Schranken ua in den Vorschriften der „allgemeinen Gesetze“ und in dem Recht der persönlichen Ehre. Diese Schranken müssen im Lichte der Bedeutung des Grundrechts der Meinungsfreiheit gesehen werden; sie sind ihrerseits aus der Erkenntnis der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im freiheitlichen demokratischen Staat auszulegen und so in ihrer das Grundrecht beschränkenden Wirkung selbst wieder einzuschränken.“

und weiter:

„Es bringt zum Ausdruck, daß die Beschwerdeführer nicht gehindert sind, ihre Kritik zu wiederholen und dabei ihre Geringschätzung klar und sogar drastisch kundzutun. Da die beanstandete Wortkombination „rechtsradikales Hetzblatt“ zwar eine besondere Schärfe, nicht aber einen eigenständigen sachlichen Aussagewert aufweist, der durch den Gebrauch anderer Worte nicht ebenso verwirklicht werden könnte, werden die Beschwerdeführer an der Äußerung eines bestimmten Gedankeninhalts nicht gehindert.“

III. Strafantrag

Gem. § 194 I S.1 StGB muss zur Verfolgung der Beleidigung ein Strafantrag gestellt werden.


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