Juristischer Gedankensalat

Rund um das Studium der Rechtswissenschaften

Hochschulstrukturkommission Brandenburg empfiehlt „Konzentration der Juristenausbildung an einem Standort“ – Juristische Fakultät Potsdam soll geschlossen werden

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Am 08.06.2012 legte die Hochschulstrukturkommission Brandenburg  ihren Abschlussbericht vor.

Innerhalb des Berichtes (Punkt 5.1.2.) werden die Rechtswissenschaftlichen Studiengänge des Landes Brandenburg näher betrachtet (Punkt 5.1.2.1.). Dies ist für all jene von Interesse die sich derzeit an der Juristischen Fakultät Potsdam befinden, als auch für Studieninteressierte.

Angesichts der Tatsache, dass im Land Brandenburg an zwei Universitäten der Studiengang Rechtswissenschaft mit Abschluss 1. Juristische Prüfung studiert werden kann, kommt die Kommission zu dem Ergebnis die Empfehlung auszusprechen die Juristische Fakultät an der Universität Potsdam zu schliessen.
Diese hat in Ihrer Pressemitteilung vom 08.06.2012 nicht nur ihre Kritik an diesem Vorschlag kundgetan, sondern auch Gegenvorschläge gemacht.
Da ich selbst an der UP studiere und auch aus vielen, vielen Diskussionen den Vergleich der UP mit der Viadrina Frankfurt/Oder verfolgen konnte, erstaunt mich die Empfehlung der Kommission. Sollte etwa die überaus grosszügige Förderung der Viadrina schon ein erstes Zeichen zur Schliessung der Juristischen Fakultät in Potsdam gewesen sein? Ich hoffe nicht.

Im Bericht wird zur Situation beider Juristischer Fakultäten mit dem Studienabschluss 1. Juristische Prüfung wie folgt Stellung genommen:

Diesbezüglich bildet auch das Land Brandenburg keine Ausnahme; die beiden Studiengänge Rechtswissenschaften an UNIP wie EUV sind jeweils voll bzw. sogar überausgelastet. Trotz des somit erfreulichen Beitrags der Studiengänge zur Sicherstellung eines hohen Niveaus der Studienanfängerzahlen im Land Brandenburg würde es aus Sicht der Kommission deutlich zu kurz greifen, hieraus ohne weiteres zu schlussfolgern, dass die in den beiden Studiengängen vorhandenen Ausbildungskapazitäten unter strukturellen Gesichtspunkten innerhalb der brandenburgischen Hochschul-landschaft und des ihr immanenten Ausbildungsportfolios angemessen dimensioniert sind. Vielmehr war auch das Ergebnis der rechtswissenschaftlichen Ausbildungsleistung an den brandenburgischen Universitäten mit in den Blick zu nehmen und damit die Frage der im Land tatsächlich generierten Absolventinnen und Absolventen. Die diesbezügliche Analyse auf Grundlage der eigenen Erhebungen von UNIP und EUV ergibt, dass innerhalb des Jurastudiums bis zur Absolvierung der Ersten Juristischen Prüfung ein sehr hoher Studierendenschwund stattfindet. Dabei handelt es sich grundsätzlich um ein nicht allein brandenburgspezifisches Phänomen; vielmehr weist das juristische Studium bundesweit recht hohe Abbruch- bzw. Studienfachwechselquoten auf.

Natürlich hat Jura eine der höchsten (wenn nicht sogar die höchste) Abbrecherqoute. Dies ist allerdings keine neue Entwicklung, sondern zieht sich durch die Geschichte des Studiums der Rechtswissenschaften wie ein roter Faden. Insofern mag das Argument der Abbrecherqoute in diesem Kontext verwundern.

Weiter heisst es:

Gleichwohl besteht eine brandenburgische Spezifik insofern, als die Quote der erfolgreichen Absolventinnen und Absolventen mit deutlich unter 50 % der ursprünglichen Studienanfänger besonders niedrig liegt bzw. weiter sinkende Tendenzen aufweist. Im Vergleich zu anderen Bundesländern besonders niedrig liegt auch die landesweite Gesamtzahl der Absolventinnen und Absolventen je Professur.

Woher die Zahl und auch die Tendenz stammt bleibt offen. Es ist jedoch erstaunlich, dass angesichts der hohen Abbruchqoute des Studiengangs Rechtswissenschaften die ursprüngliche Zahl der Studienanfänger zur Grundlage genommen wird. Diese Zahlen sagen nichts über mögliche Absolventen aus, hierzu sollten die Abbrecherqouten nach bestandener Zwischenprüfung vielmehr Grundlage sein. Denn viele Studenten schreiben sich in die Rechtswissenschaften ein um erstmal „drin“ zu sein. Sie wechseln ohnehin später in ihr Wunschfach. Dies ist auch der Struktur des Studiums geschuldet: Im Studiengang Rechtswissenschaften mit Ziel Staatsexamen gibt es keine Anwesenheitspflicht, Leistungspunkte o.ä.. Lediglich die Zwischenprüfung stellt einen Filter dar.

Weiter führt die Kommission aus:

Die Hochschulstrukturkommission ist auf Grundlage dieser Beobachtungen zu dem Schluss gekommen, dass der bestehende „Output“ an Absolventinnen und Absolventen die parallele Existenz von zwei klassischen rechtswissenschaftlichen Studiengängen nicht rechtfertigt, sondern dass es im Sinne eines effektiven Ressourceneinsatzes und einer zukunftsgerichteten Profilierung und Weiterentwicklung der brandenburgischen Hochschullandschaft empfehlenswert ist, die bisherigen zwei Studiengänge in nur mehr einem Studienangebot „Rechtswissenschaften“ mit dem Ziel Erste Juristische Prüfung zusammenzuführen.
[…]
Sie will in diesem Zusammenhang der Landesregierung vor dem Hintergrund der Prämisse, dass die Kommission insgesamt keinen Ansatzpunkt für eine Reduzierung von Studienplatzkapazitäten auch im universitären Bereich der Brandenburgischen Hochschulen sieht, vielmehr aufzeigen, dass aus ihrer Sicht bei den rechtswissenschaftlichen Ausbildungskapazitäten ein Umbaukorridor entstehen kann, in dem – wenn auch in begrenztem Maße – Kapazitäten zur stärkeren Profilierung bzw. zum Neuaufbau anderer Bereiche freigesetzt werden können.
[…]
Die Kommission empfiehlt der Landesregierung, die Zusammenführung der beiden rechtswissenschaftlichen Studiengänge mit dem Abschluss Erste Juristische Prüfung an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder durchzuführen. Mit Blick auf die im Jahr 2012 in Berlin und Brandenburg und im Jahr 2013 in großen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen anstehenden doppelten Abiturjahrgänge und die dementsprechend zu erwartende verstärkte Studienplatznachfrage schlägt die Hochschulstrukturkommission dabei zugleich vor, letztmalige Immatrikulationen in den Studiengang Rechtswissenschaften der UNIP zum WS 2013/14 vorzusehen.
Angesichts der Überzeugung der Kommission, dass beide Juristischen Fakultäten hinsichtlich ihrer Lehr- und Forschungsleistungen als qualitativ gleichwertig einzuschätzen sind, basiert die getroffene Standortempfehlung ausschließlich auf strukturellen Erwägungen, die sich gleichermaßen auf fachliche Entwicklungsmöglichkeiten im Berufsfeld „Verwaltung und Recht“ wie auch auf institutionelle Perspektiven der beiden beteiligten Universitäten beziehen.

Beide Juristischen Fakultäten sind in ihren Kapazitäten voll ausgelastet und qualitativ gleichwertig. Leider verkennt die Kommission wesentliche Punkte innerhalb dieses Bereiches:
Studieninteressierte wählen ihren Studienort nach anderen Kriterien. Neben den fachlichen Aspekten spielt auch der Standort eine grosse Rolle. Fachlich gesehen sind beide Fakultäten für Studienbewerber durchaus interessant. Letztlich ist dies dem Schwerpunktangebot der Fakultäten zu verdanken. Eine Zusammenlegung der Fakultäten würde diese Vielfalt der Schwerpunktbereiche jedoch schmälern. Während die Viadrina Frankfurt/Oder allgemein als „Europa-Uni“ gilt und hier auch einen fächerübergreifenden Schwerpunkt gesetzt hat, bietet die Uni Potsdam mit ihrem Schwerpunktbereichsangebot eine gezielte Vertiefung im Wunschgebiet. Zwar bietet die Viadrina Frankfurt/Oder den Schwerpunkt Polnisches Recht an und gleichzeitig auch die Möglichkeit hierin den Bachelor und Master zu machen, jedoch bietet die Uni Potsdam neben dem IPR Schwerpunkt auch den Deutsch-Französischen Studiengang an, welcher DAS Aushängeschild der Fakultät ist. Nicht zuletzt sprechen die enge Vernetzung der Potsdamer Fakultät mit Internationalen Universiäten, das Angebot der Bachelor und Masterstudiengänge (der Hinweis auf den noch recht „jungen“ Masterstudiengang im Steuerrecht sei gestattet) und die in der Pressemitteilung (siehe oben) ausgereiften Pläne innerhalb des Studienganges Rechtswissenschaften mit dem Ziel der 1. Juristischen Prüfung die Möglichkeit anzubieten einen Bachelor Abschluss zu machen, für den Erhalt und die Weiterentwicklung der Juristischen Fakultät in Potsdam. Weiterhin findet eine Vernetzung der einzelnen Fachbereiche am Standort Potsdam bereits statt. Neben dem Menschenrechtszentrum und dem Kommunalwissenschaftlichen Institut, finden sich hier auch die Kirchenrechtlichen Institute. Abgesehen von den vielen Angeboten mit Bezug zu anderen Wissenschaften.

Der Standort Potsdam ist für Studienanfänger und Studierende wesentlich attraktiver als Frankfurt/Oder. Nicht nur die Nähe zu Berlin ist ein Pluspnkt. Studienanfänger wählen ihren Studienort aus ganz anderen Motiven als die der Hochschulpolitik. So sind neben persönlichen Wünschen/Vorstellungen auch die Nähe zur Hauptstadt, das umfangreiche Kultur- und Freizeitangebot ausschlaggebend. Weiterhin ist in Potsdam der Standort der Medienstadt, auch hier bieten sich für Juristen (egal ob nun BA,MA oder 1. Staatsexamen) Zukunftsperspektiven.
Auch diesen Aspekt hätte die Kommission in ihrer Empfehlung beachten müssen.

Die Kommission empfiehlt eine „[…]Verlagerung der Kapazitäten der Professuren für das Strafrecht und für diejenigen Teile des Zivilrechts, die nicht für die wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung an der UNIP benötigt werden[…]“. Fragt sich nur, wie das in der Praxis dann aussehen soll. Wenn nämlich Teile der Kapazitäten des Öffentlichen Rechts in Form des Menschenrechtszentrums und des Kommunalwissenschaftlichen Instituts in Potsdam verbleiben, die restlichen Fächer aber in Frankfurt/Oder sitzen, geht eine bisher dagewesene Verknüpfung innerhalb der Fächer und vor allem der Schwerpunktbereiche schlichtweg verloren. Es ist für keinen Studenten attraktiv zwischen den Städten zu pendeln.

Immerhin gelangt die Kommission in einem Punkt zu einer Erkenntnis:
„Zum einen gilt es, den auf die Erste Juristische Prüfung hinführenden rechtswissenschaftlichen Studiengang an der EUV in einer möglichst attraktivitätserhö-henden Weise auszugestalten, um insbesondere der Schwierigkeit entgegenzutreten, dass derzeit eine große Zahl von Studierenden, die ihr rechtswissenschaftliches Studium in Frankfurt/Oder aufnimmt, dieses dort nicht beendet, sondern vielfach vor Eintritt in die Schwerpunktbereichsphase insbesondere den Wechsel an eine der Berliner Juristischen Fakultäten vollzieht.“

Müsste sich doch innerhalb der Erarbeitung des Berichtes die Frage gestellt haben, wieso soviele Studenten nach Berlin (und auch Potsdam) wechseln?!

Dann ist es auch nicht verwunderlich, dass „die derzeit an der Fakultät (Anmerkung: Frankfurt/Oder) erreichten Verbleibsquoten der Studierenden im rechtswissenschaftlichen Studiengang sind als bei weitem nicht ausreichend einzustufen“ sind.
Mir erschliesst sich nicht, warum dann eine funktionierende und ausgelastete Juristische Fakultät, wie die in Potsdam, an den Ort verlegt werden soll der sich als nicht ausgelastet herausgestellt hat? Interessant wäre in diesem Zusammenhang die Zahl der Wechsler von Frankfurt/Oder nach Berlin oder Potsdam.
Auch der Vorschlag der Kommission die Ausbildungsordnung sei bei Fusion beider Fakultäten dahingehend zu ändern die europarechtlichen Bezüge zu schwächen und die Klausuren im Ersten Staatsexamen statt in Berlin, in Frankfurt/Oder schreiben zu lassen, vermag nicht zu überzeugen.
Die Argumentation: „[…]Für die EUV bietet die Zusammenführung der beiden rechtswissenschaftlichen Studiengänge an der dortigen Juristischen Fakultät die Möglichkeit zur Stärkung „kritischer Massen“, um notwendige Kräfte zur weiteren Schärfung des hochschulspezifischen Profils auch und gerade seitens der rechtswissen-schaftlichen Fachpotenziale freizusetzen.[…].“ – wirft eher Fragen auf, als zu überzeugen. Was sind denn die besagten „kritischen Massen“? Rein wirtschaftlich betrachtet ist Frankfurt/Oder als Standort sicherlich derzeit stark angeschlagen, aber die Hoffnung durch Abzug der ca. 2.000 Studierenden (Quelle: Broschüre der Juristischen Fakultät Potsdam ) Frankfurt/Oder wirtschaftlich zu stärken, dürfte nicht aufgehen. Die meisten derjenigen die vom Umzug betroffen sind würden eher nach Berlin gehen als nach Frankfurt/Oder.
Im übrigen sprechen auch die Zahlen der Potsdamer für sich: „[…]Im landesweiten Vergleich
der rechtswissenschaftlichen Fakultäten hat Potsdam die höchsten Studierenden- und Absolventenzahlen,
und in der staatlichen Prüfung des Examens erzielen die Kandidaten aus unserer Fakultät im Landesdurchschnitt die besten Ergebnisse. Diese Erfolge resultieren aus der hohen Qualität unserer forschungsbasierten Lehre.[…]“.
(Quelle: Dekan Hartmut Bauer in der Broschüre der Juristischen Fakultät).

Die Konsequenz einer Fusion beider Fakultäten wäre das Sterben einer hochwertigen Lehre im Bereich der Rechtswissenschaften in Potsdam. Die Verknüfpung der Rechtswissenschaften mit ihren Schwerpunktbereichen und den vielen Angeboten innerhalb der Fakultät kann so in Frankfurt/Oder nicht realisiert werden.
Ganz vom Arbeitsplatzverlusten abgesehen. Ich denke im Bereich der Professuren dürfte es sich ebenso verhalten wie im Bereich der Studierenden/Studieninteresseten: Wer die Wahl hat, der geht nicht nach Frankfurt/Oder.

Die Politik trägt hier einen Kampf auf dem Rücken der Bildung aus. Nach den Diskussionen um die Kürzungen des Etats für die Hochschulen folgt nun das Sterben lassen. Der Bericht wurde am 08.06.2012 nach strengster Geheimhaltung rausgegeben, aber wurden auch diejenigen gehört die von der Empfehlung betroffen sind? Wurden alle Aspekte beachtet?

Franfurt/Oder ist nicht im mindesten so attraktiv wie Potsdam. Einen Standort wie Frankfurt/Oder zu fördern, bedeutet gleichzeitig auch, einen alteingessenen, gereiften und funktionierenden Standort sterben zu lassen. Nicht nur die Universität Potsdam, auch die Stadt Potsdam braucht die Juristische Fakultät.

 


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