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Rechtfertigungsgründe – Basics

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Grundsätzlich ist ein Verhalten, mit dem ein Täter vorsätzlich alle Tatumstände eines Deliktes verwirklicht, Unrecht1. Dieses Unrecht ist allerdings nur dann begründet, wenn es nicht durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt ist2.

Nach dem dualistischen Ansatz3 stützt sich die Rechtfertigung auf die Prinzipien der Wahrnehmung höherrangiger Interessen4 und der Interessenwahrnehmung durch den Rechtsgutinhaber. (Einen Überblick über den Streit gibt z.B. NK-Paeffgen, Vor § 32, Rn. 44 ff.).

Rechtfertigung

Schafft der Rechtfertigungsgrund eine Eingriffsbefugnis für den Täter, resultieren daraus auch gleichzeitig Duldungspflichten für das Opfer5.

 

Die gerechtfertigte Tat ist nicht teilnahmefähig. Denn die Strafbare Teilnahme ist nur an einer rechtswidrigen Tat möglich, gleichwohl kommt bei rechtmäßigem Handeln des Täters durchaus die mittelbare Täterschaft des Teilnehmers in Betracht.6.

Der oft zu lesende Satz „Es gibt keinen Numerus-Clausus der Rechtfertigungsgründe.“ verbirgt die Tatsache, dass die Rechtfertigungsgründe nicht abschließend geregelt und über alle Rechtsgebiete verstreut sind. Demnach können sich auch „neue“ und – ihrer Herkunft nach – außergesetzliche Rechtfertigungsgründe entwickeln7.

Aus der Einheit der Rechtsordnung folgt der Spezialitätsgrundsatz der Rechtfertigungsgründe. Aus der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung ergibt sich, dass Eingriff die nach den Regeln des Zivil- oder Öffentlichen Rechts erlaubt und damit rechtmäßig sind, nicht im Bereich des Strafrechts als rechtswidrig bewertet werden dürfen8.Dies meint nichts anderes, als dass Rechtfertigungsgründe die einen besonderen Lebenssachverhalt regeln, vorrangig zu prüfen sind. Denn grundsätzlich müssen alle in Frage kommenden Rechtfertigungsgründe geprüft werden, jedoch nicht alle unter dem Blickwinkel von § 32 StGB betrachtet werden9.

Bei der Prüfung der Rechtfertigungsgründe kann dem empfohlenen Schema gefolgt werden10:

  • Einwilligung oder mutmaßliche Einwilligung
  • Notwehr, § 32 StGB , § 227 BGB
  • Selbsthilfe § 229 BGB: des Vermieters § 562b I BGB, des Besitzers § 859 BGB, des Rechtsbesitzers § 1029 BGB
  • Zivilrechtlicher Notstand: Defensivnotstand § 228 BGB, Aggressivnotstand § 904 BGB
  • Allgemeiner rechtfertigender Notstand § 34 StGB
  • Rechtfertigende Pflichtenkollision
  • Wahrnehmung berechtigter Interessen, § 193 StGB
  • Erziehungsrecht von Eltern
  • Festnahmerecht nach § 127 StPO
  • Amtsbefugnisse, z.B. für den Gerichtsvollzieher nach §§ 758,808,909 ZPO oder Ingewahrsamnahme, Freiheitsentzug, Festhalterecht durch die Polizei
  • politisches Widerstandsrecht Art. 20 Abs. 4 GG

Ebenfalls kann sich die Prüfung der Rechtfertigungsgründe mittels eines generellen Schemas zur objektiven Prüfung schnell gemerkt werden:

Objektive Voraussetzungen der Rechtfertigungsgründe

1. Die Frage des „Ob“. Liegt eine Rechtfertigungssituation vor? -> Lage. Beachte aber: Einige Rechtfertigungsgründe haben nicht die ex ante Prüfungssicht, sondern die ex post Prüfungssicht!

2. Die Frage des „Wie“?. Wie darf der Täter innerhalb des Rechtfertigungsgrundes handeln? -> Handlung.

Subjektive Voraussetungen der Rechtfertigungsgründe

Die h.M. verlangt das subjektive Rechtfertigungselement, da eine vollständige Rechtfertigung nur dann in Betracht kommt, wenn der Täter sich zumindest der Rechtfertigungslage bewusst war11.

Weiterhin ist umstritten, wie bei Fehlen des subjektiven Rechtfertigungselement zu verfahren ist. Nach h.L. kommt eine Vollendungsstrafbarkeit nicht in Betracht, es verbleibt nur eine Strafbarkeit wegen Versuchs12.

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  1. Joecks, Studienkommentar StGB, Vor § 32, Rn. 1.
  2. Frister, Strafrecht AT, 5. Auflage, 13. Kapitel, Rn. 1.
  3. NK-Paeffgen, Vor § 32, Rn. 44a.
  4. Vertiefend: MüKo-Schlehofer, Vor. § 32, Rn. 58.
  5. Wessels/Beulke, Strafrecht AT, 42. Auflage, Rn. 284.
  6. Wessels/Beulke, Strafrecht AT, 42. Auflage, Rn.285.
  7. Schönke/Schröder – Lenckner/Sternberg-Lieben, Vor. § 32 ff, Rn. 28.
  8. Wessels/Beulke, Strafrecht AT,Rn.274.
  9. Rengier, Strafrecht AT,4.Auflage,§ 17, Rn.3
  10. So z.B. Wessels/Beulke,Frister.
  11. Joecks, Studienkommentar StGB, Vor. § 32, Rn. 10.
  12. Wessels/Beulke, Strafrecht AT, Rn. 279.

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