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Basic Schema: Der Versuch – §§ 22,23 StGB

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Der Versuch wird euch im Strafrecht immer wieder begegnen. Manchmal lauert er versteckt hinter Hinweisen, ein andern Mal springt er euch förmlich ins Gesicht. Da der Aufbau der Versuchsstrafbarkeit nicht wie die üblichen Prüfungen laufen sollte, gibt es hier nun ein Basic Schema für den Einstieg und das leichtere merken. Vertiefungshinweise finden sich, wie immer, am Ende.

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Der Versuch – Erkennungsmerkmale in Klausur und Hausarbeit

Den Versuch erkennt man zunächst daran, dass eine Straftat offensichtlich nicht vollendet wurde. Maskiert sich der Versuch, so werdet ihr ihn anhand der gescheiterten Prüfung der Vollendung demaskieren.

Beispiele: Der V möchte den O töten. Sein Plan: Gift in die Cola. Gesagt, getan. V kippt dem O Gift in die Cola. O trinkt sie aber nicht, weil sie „komisch riecht“. Glück für O, Pech für V. Hier ist offensichtlich keine Vollendung eingetreten.  Es geht aber auch so: Der V möchte den O töten. Er sticht mit einem Messer auf den O ein und glaubt dieser werde durch die Stiche sterben. Sodann läuft V davon. O überlebt mit einer Fleischwunde. 

Nun zum Schema:

0. Vorprüfung

a) Nichtvollendung des Delikts. (Achtung: Ist es nicht offensichtlich ob hier Vollendung vorliegt oder nicht, prüft zunächst die Vollendung und dann erst den Versuch. Anders gilt: Ist der Versuch offensichtlich, prüft diesen zuerst!) Nichtvollendung liegt vor, wenn eines der objektiven Tatbestandsmerkmale fehlt oder der Erfolg nicht zurechenbar ist.

b) Strafbarkeit des Versuchs. Wichtig: Hier gilt die dreier Normenkette: §§ 22, 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB. § 22 StGB enthält die Begriffsbestimmung des Versuchs, § 23 Abs. 1 StGB enthält die Faustregel: Versuch ist immer strafbar bei Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB) und bei Vergehen (§ 12 Abs. 2 StGB) nur dann, wenn das Gesetz es vorsieht. § 12 Abs. 1 StGB enthält die Definition was ein Verbrechen ist, § 12 Abs. 2 StGB die was ein Vergehen ist. Diese Normenkette gehört in den Obersatz!

I. Tatbestand 

 Achtung: Im Gegensatz zu den sonst gewohnten Prüfungen im Strafrecht haben wir es hier mit einer anderen Konstellation zu tun. Der Täter hat zwar wollte zwar eine Tat begehen, das hat aber nicht geklappt. Eine Rechtsgutverletzung bleibt aus, obwohl die subjektive Komponente erfüllt wäre. Das klingt komisch, ist aber eigentlich ganz logisch. Daher solltet ihr euch diesen Merksatz einprägen: 

Die Strafbarkeit des Versuchs sanktioniert die in der rechtsfeindlichen Handlung des Täter zu Tage getretene kriminelle Energie – auch wenn diese letztlich nicht zur vollständigen Entfaltung in Form einer endgültigen Rechtsgutverletzung geführt hat. Gemischt subjektiv-objektive Theorie nach BGHSt 11,324. 

Deswegen wird beim Versuch die subjektive Komponente zuerst geprüft. Wir kennen das sonst andersrum.

a) Tatentschluss 

  • Tatvorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale und die sonstigen subjektiven Tatbestandsmerkmale (z.B. § 211 StGB – Heimtücke). Achtung: Es gibt keinen Versuch von Fahrlässigkeitstaten (Logisch,oder?), wohl aber bei Erfolgsqualifizierten Delikten, vgl. § 18 StGB (der Grundtatbestand ist vorsätzlich herbeizuführen). handelt der Täter mit untauglichen Mitteln und am untauglichen Objekt (z.B. Erschiessen mit Wasserpistole oder Töten einer Leiche), so handelt es sich um einen sog. untauglichen Versuch, Umkehrschluss aus § 23 Abs. 3 StGB (sog. Trottelprivileg). Durch Verhexen, Vodoo, Liebestrank o.ä. (also immer wenn der Täter auf magische Kräfte vertraut) liegt kein Versuch vor. Auch kein Versuch liegt bei den sog. Wahndelikten vor. Der Täter glaubt das von ihm geplante Verhalten verletze ein Strafgesetz, z.B. Ehebruch sei strafbar.
  • Unbedingter Handlungswille. Bloße Tatgeneigtheit reicht nicht aus! Der Täter muss den Entschluss zur Tat endgültig gefasst haben. Faustregel: Über das „Ob“ ist entschieden, über das „Wie“ wird noch entschieden.

b) Unmittelbares Ansetzen. Die Begriffsbestimmung findet sich in § 22 StGB – „Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.“. An dieser Stelle muss die Abgrenzung zwischen der reinen Vorbereitungshandlung und dem definitiven Tatansatz gezogen werden.Und das immer aus Sicht des Täters (merke: „nach seiner Vorstellung“!).  Es gibt dazu viele, viele Meinungen, der BGH und die h.M. waren aber so freundlich eine Theorie aufzustellen: Die subjektiv-objektive Theorie. Nach ihr lässt sich folgender Merksatz super in Klausuren bringen:

„Nach der subjektiv-objektiven Theorie muss der Täter für den Versuch subjektiv die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschritten haben und objektiv zur tatbestandsmäßigen Handlung angesetzt haben. Die Verwirklichung des Tatbestandes ist nicht notwendig, es reicht wenn die Handlung des Täters ohne wesentliche Zwischenschritte in die Erfüllung des Tatbestandes übergehen soll. (nachzulesen bei: BGH MMR 2012,61, Wesens/Beulke, Rn. 601.)“ 

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II. Rechtswidrigkeit

Prüfung wie gehabt. Hier können mögliche Rechtfertigungsgründe geprüft werden. Liegen diese nicht vor, indiziert die Tatbestandsmäßigkeit die Rechtswidrigkeit.

III. Schuld

Prüfung wie gehabt.

IV. Schuldausschließungsgründe 

Als Schuldausschließungsgrund kommt der Rücktritt vom Versuch gem. § 24 StGB in Frage. Dazu wird es ein gesondertes Basic Schema geben.

Und nun das ganze in „Kurz“: 

0. Vorprüfung

a) Nichtvollendung des Delikts

b) Strafbarkeit des Versuchs

I. Tatbestand 

a) Tatentschluss

b) Unmittelbares Ansetzen

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

IV. Schuldausschließungsgründe 

Vertiefungshinweise:

Lehrbücher / Fallbücher / Aufsätze: 

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