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Sachenrecht: Kleiner Übungsfall zu §§ 985, 1007,861 BGB – Die Ziegelversteigerung

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Ein kleiner, aber feiner Übungsfall aus dem Sachenrecht zum §§ 985, 1007 I und II und 861 BGB. Die Lösung erfolgt „nur“ mit Kurzskizze.

Sachverhalt: 

Bei einer Versteigerung von Baumaterialien in der Dorfkneipe nimmt der Alfons (A) den Posten Nr. 12 – eine Palette Steinziegel in Augenschein. Bei der Versteigerung erhält er für diesen Posten den Zuschlag und erhält vom Auktionator Bert (B) einen Abholschein, der ihn gegenüber den Mitarbeitern des Steinbruchs in dem sich die Steinziegel befinden als zur Abholung berechtigt ausweist. Nach geglückter Ersteigerung fährt der A zufrieden nach Hause. Aufgrund eines Irrtums wird im weiteren Verlauf der Versteigerung der Posten Nr. 12 nocheinmal aufgerufen und diesmal dem erst später zur Auktion erschienenen  Charles (C) der Zuschlag erteilt und sodann ein Abholschein ausgestellt. 

Der C schickt nun einen Transporter zur Abholung der Palette Steinziegel. Ein Mitarbeiter des Steinbruchs weist dem Fahrer nach Vorzeigen des Abholscheinscheins die Steinfliesen zu. Die Palette Steinfliesen wird zur Lagerhalle des C gebracht. 

Kann der A vom C endgültig die Herausgabe der Palette Fliesen verlangen? 

Lösungsskizze

I. Anspruch auf Herausgabe der Sache, A gegen C, gem. § 985 BGB (Schema § 985 BGB)

1. C ist Besitzer ( + )

2. A müsste Eigentümer sein

a) Eigentumserwerb des A gem. § 929 S. 1 BGB

aa) Einigung liegt vor (mit B als Vertreter gemäß § 164 I 1 BGB) (+)

bb) Übergabe der Fliesen gemäß § 854 I BGB zwar (-), aber § 854 II BGB (+) (Gestattung der Abholung)

cc) Berechtigung des B (+)

dd) ZE: A ist Eigentümer der Sache geworden

b) A könnte aber das Eigentum an C verloren haben

aa) Eigentumsverlust bei der Auktion: § 929 S. 1 BGB

(1) Übergabe durch B als Besitzer iSv § 854 BGB ( – )

(2) Berechtigung des B ( – )

bb) Eigentumsverlust im Steinbruch: gutgläubiger Erwerb des C gem. §§ 929 S.1, 932 BGB

(1) Besitz ( + ) bei C

(2) Aber:  A hat unfreiwillig offenen Besitz (§ 854 II BGB) verloren, § 935 I BGB (+)

(3) § 935 II BGB (-) Voraussetzungen einer öffentlichen Versteigerung iSd. § 383 II BGB liegen nicht vor

c) ZE: Kein Eigentumsverlust des A

3. C hat kein Recht zum Besitz gemäß § 986 I BGB (+)

4. Ergebnis: A kann die Sache herausverlangen gemäß § 985 BGB

 

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II. Anspruch auf Herausgabe der Sache, A gegen C, gem. § 1007 I BGB

1. A war ursprünglicher Besitzer der Sache (+)

2. C ist jetziger Besitzer der Sache (+)

3. Bösgläubigkeit des C (-)

 

III. Anspruch des A gegen B auf Herausgabe der Sache gemäß § 1007 II BGB

1. A ist die Sache abhanden gekommen (+)

2. C ist Besitzer der Sache (+)

3. C ist nicht Eigentümer und kein Abhandenkommen des früheren Besitzers (+)

 

IV. Anspruch des A gegen B auf Herausgabe der Sache gemäß § 861 I BGB (Schema § 861 BGB)

1. Entzug des Besitzes bei A durch verbotene Eigenmacht iSd § 858 BGB (+)

2. Fehlerhafter Besitz des C, § 858 II BGB (+)

3. Gesetzliche Gestattung, § 858 I BGB (-)

4. Einwendungen (-)

 

V. Anspruch des A gegen C auf Herausgabe der Sache gem. § 812 I 1 2. Alt. BGB

1. Etwas erlangt: Besitz an der Palette Steinfliesen (+)

2. Vorrang der Leistungskondiktion (Subsidiaritätsdogma)?: (-) § 935 BGB greift als sachenrechtliche Wertung wodurch Subsidiaritätsprinzip durchbrochen wird

Ein kleiner, aber feiner Fall für den Einstieg ins Sachenrecht.

Literaturhinweise: Siehe Schema zu § 985 BGB und§ 861 BGB.

 


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