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Die Verfahren vor dem BVerfG – Teil 1: Zulässigkeit

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Die wichtigsten Verfahren vor dem BVerfG lassen sich grob in drei Bereiche gliedern:

Da die Zulässigkeit bei allen Verfahren große Ähnlichkeiten aufweist, lässt sich diese einfach und kompakt lernen.

O. Vor jeder Prüfung steht der berühmte Einleitungssatz: „In Betracht kommt [Verfahrensname]“. Meist ist in der Lösungsskizze schon ausgearbeitet warum nun gerade dieses Verfahren geprüft wird – zumindest rate ich an es in der Skizze anzuprüfen. Hier ist die Kenntnis des Enumerationsprinzips hilfreich, denn das erspart euch stures Auswendig lernen 🙂

Das Enumerationsprinzip besagt: Das BVerfG ist nur in einer abschließend festgelegten Zahl von Verfahrensarten zur Entscheidung berufen, deren jeweilige Voraussetzungen allein maßgeblich sind. Es gibt damit keine verfassungsrechtliche Generalklausel, anders als im Verwaltungsprozessrecht (vgl. § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Heisst für das Lernen: Die Zuständigkeiten des BVerfG sind alle in Art. 93 GG geregelt. § 13 BVerfGG knüpft sodann an diese Kompetenzzuweisungen an. Es muss also nicht für jedes einzelne Verfahren eine endlose Normenkette auswendig gelernt werden, es reicht zu wissen wo es steht 🙂 .

I. Damit wäre die Einleitung auch schon geschafft. Danach kommt der Satz, der die Zulässigkeitsprüfung einleitet. Üblicherweise lautet er: „Die Zulässigkeit des [ Verfahrensart ] richtet nach Art. 93 [ entsprechende Nummer des Verfahrens ] GG, § 13 Nr.[ entsprechende Nummer des Verfahrens ] BVerfGG, §§ [ jeweilige § zu dem gewählten Verfahren ] BVerfGG.“

Damit wäre auch schon der zweite Tipp da: Die Zulässigkeit setzt sich immer aus den drei Blöcken zusammen:

  • jeweilige Nummer des Art. 93 GG
  • jeweilige Nummer des § 13 BVerfGG
  • Besondere Verfahrensvorschriften der einzelnen Verfahrensarten aus dem BVerfGG

Beispiele: 

  • Die drei Blöcke der Individual Verfassungsbeschwerde: Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a BVerfGG, §§ 90, 92 ff. BVerfGG 
  • Die drei Blöcke des Organstreitverfahrens: Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG. § 13 Nr. 5 BVerfGG, §§ 63 ff. BVerfGG 

II. Der nächste Prüfungspunkt ist die Beteiligten- oder auch Parteifähigkeit // Antragsgegner und Antragsteller. Innerhalb dieses Prüfungspunktes ist zu prüfen, ob derjenige der einen bestimmten Antrag stellt in seiner Person die Voraussetzungen für diesen überhaupt erfüllt.

Kurz merken wann es einen Antragsteller und einen Antragsgegner gibt, lässt sich so:

  • Einseitige Verfahren sind Normenkontrollen und Verfassungsbeschwerden.
  • Zweitseitige Verfahren (auch kontradiktorische Verfahren) sind Kompetenzstreitigkeiten wie z.B. Organstreit oder der Bund-Länder Streit.

Die entsprechenden Normen finden sich im dritten Block (s.o.). Z.B. für die Individual-VfB in § 90 Abs. 1 BVerfGG („Jedermann“) oder für die Abstrakte Normenkontrolle in § 76 Abs. 1 BVerfGG (abschließende Aufzählung der Antragsberechtigten).

III. Dann wird der Prüfungspunkt „Tauglicher Prüfungsgegenstand“ oder auch „Statthaftigkeit“ bearbeitet. Hier wird geprüft, ob das BVerfG den Antrag gegen eine Maßnahme überprüfen kann. Je nach Verfahren wird es auch Streitgegenstand (Organstreit, Bund-Länder Streit), Prüfungsgegenstand (Abstrakte und konkrete Normenkontrolle) oder Beschwerdegegenstand (Verfassungsbeschwerde) genannt.

IV. Daran schliesst sich der Prüfungspunkt Antrags- oder Beschwerdebefugnis bzw. Antrags- oder Vorlagegrund an. Hier wird geprüft, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen zur Durchführung des Verfahrens vorliegen. Die Voraussetzungen des jeweiligen Verfahrens ergeben sich wiederum aus dem dritten Block (s.o).

Beispiele: 

  • Beim Organstreit ist die Antragsbefugnis aus § 64 Abs. 1 BVerfGG zu prüfen
  • Beim Bund-Länder-Streit ist ebenso die Antragsbefugnis zu prüfen allerdings gilt hier § 69 iVm § 64 Abs. 1 BVerfGG
  • Bei der abstrakten Normenkontrolle ist der Antragsgrund das objektive Klarstellungsinteresse
  • Bei der Individualverfassungsbeschwerde ist es die subjektive Beschwerdebefugnis

V. Der nächste Prüfungspunkt ist nur dann zu prüfen wenn er vorgeschrieben ist: Besondere Voraussetzungen des jeweiligen Verfahrens. Das kann z.B. ein Vorverfahren (z.B. beim Bund-Länder-Streit) sein, die Subsidarität (VfB) oder die Rechtswegeerschöpfung (VfB).

VI. Wichtiger Punkt im Anschluss: Die Frist. Auch hier ergibt sich diese aus den Voraussetzungen des jeweiligen Verfahrens. Z.B. Beim Organstreit sind es sechs Monate gem. § 64 Abs. 3 BVerfGG, bei der Individualverfassungsbeschwerde sind es einen Monat beim Urteil und ein Jahr bei einem Gesetz.

VII. Zum Abschluss findet sich der Prüfungspunkt „Ordnungsgemäßer Antrag„. Hierbei ist eine Norm immer gleich: § 23 Abs. 1 BVerfGG. Diese ist immer zu nennen und ggf. (je nach Verfahrensart) weitere dranzuhängen.

Beispiele:

  • Beim Organstreit müsste es heissen: §§ 23 Abs. 1, 64 Abs. 2 BVerfGG
  • Bei der konkreten Normenkontrolle: §§ 23 Abs. 1, 80 Abs. 2 BVerfGG
  • Bei der VfB: § 23 Abs. 1, 92 BVerfGG

In der Kurzform wäre das Grobraster dann:

O. Einleitungssatz 

I. Zulässigkeitssatz 

II. Beteiligten- oder auch Parteifähigkeit // Antragsgegner und Antragsteller

III. Tauglicher Prüfungsgegenstand // Statthaftigkeit

IV. Antrags- oder Beschwerdebefugnis // Antrags- oder Vorlagegrund

V. Besondere Voraussetzungen

VI. Frist

VII. Ordnungsgemäßer Antrag


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