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Grundrechtsbindung staatlicher und privater Adressaten

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Nach Art. 1 Abs. 3 GG binden die Grundrechte Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtssprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Denn die Grundrechte bewirken den Schutz des Bürgers vor dem Staat. Die Grundrechtsbindung von Legislative und Judikative ist unproblematisch.

Denn die Legislative ist dem Demokratischen Prinzip entsprechend die einzige demokratisch legitimierte Gewalt.

Die Judikative ist die rechtsprechende Gewalt, die aufgrund der Selbstbeschränkung rechtliche Entscheidungen trifft, sich aber nicht in die Aufgaben des Gesetzgebers einmischt.

Die Exekutive wirft aufgrund der Vielschichtigkeit ihrer Aufgaben, Organisations- und Handlungsformen Probleme auf.

Zunächst kommt es nicht darauf an durch wen die vollziehende Gewalt ihre Aufgaben erfüllt. Nimmt sie ihre Aufgaben nicht durch eigene Organe wahr, sondern durch sog. „Beliehene“, unterliegen auch dieser der Grundrechtsbindung.

Beliehene sind private Rechtssubjekte die mit der hoheitlichen Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben in eigenem Namen betraut sind. Sie zählen zur unmittelbaren Staatsverwaltung und damit auch zur vollziehenden Gewalt i.S.d. Art. 1 Abs.3 GG (Bspw. Privatschulen die Zeugnisse mit gleicher Wirkung wie öffentliche Schulen ausstellen, Jagdaufseher oder Schornsteinfeger).

Es kann ebenfalls nicht darauf ankommen in welchen Organisations – und Handlungsformen die vollziehende Gewalt tätig wird.

Eine Anwendung des Privatrechts durch die Verwaltung kommt heute in drei Bereichen vor:

Verwaltungsprivatrecht, d.h. bei der Wahrnehmung von genuinen Verwaltungsaufgaben. (Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge, Subventionen)

Hilfsgeschäfte der Verwaltung (Beschaffung der für die Verwaltung erforderlichen Sachgüter wie z.B. Büromaterial)

erwerbswirtschaftliche Betätigung der Verwaltung (eigene unternehmerische Tätigkeit, Anteile an Unternehmen)

Für den Bereich des Verwaltungsprivatrechts ist die Grundrechtsbindung unproblematisch (BGHZ 52, 325 – Daseinsvorsorge als hoheitliche Tätigkeit ). Jedoch wird für den Bereich der Hilfsgeschäfte der Verwaltung und den der erwerbswirtschaftlichen Betätigung der Verwaltung vom BGH die sog. Fiskalgeltung der Grundrechte verneint. Der BGH bezweckt damit der Verwaltung vor allem das Recht zu geben ohne Bindung an Art. 3 Abs. 1 GG Verträge mit Privaten zu schliessen.

Die Literatur bejaht eine Fiskalgeltung der Grundrechte, denn Art. 3 Abs.1 GG lasse der Verwaltung alle Möglichkeiten sachgerechter Differenzierung.

Dieser Meinungsstreit kommt dann zum Tragen wenn z.B. eine Behörde bei einem fiskalischen Hilfsgeschäft wie z.B. dem Kauf von Büromaterial aus unsachlichen Gründen Anbieter bevorzugt. Nach der Rechtssprechung des BGH wäre das kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, nach der Literatur jedoch schon. Genauso verhält es sich bei einer erwerbswirtschaftlichen Betätigung bei der die Behörde aus unsachlichen Gründen einen Abnehmer benachteiligt: BGH sieht keinen Verstoss gegen Art. 3 Abs.1 GG. Literatur sieht einen Verstoss.

Private Adressaten – Die sog. Drittwirkung von Grundrechten

Bei der sog. Drittwirkung steht die Problematik im Raum ob Private durch Grundrechte verpflichtet sind, ob also unter Privaten Grundrechte gelten.

Unterschieden werden muss zunächst zwischen unmittelbarer und mittelbarer Drittwirkung.

Unmittelbare Drittwirkung

Bei unmittelbarer Drittwirkung wendet man die Grundrechte auch auf alle Privatpersonen an. Daraus resultieren gegenseitige Rechte und Pflichten. Die Grundrechte werden sozusagen als Ordnungsgrundsätze des sozialen Lebens gesehen.

Gegen diese unmittelbare Drittwirkung spricht zunächst der Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG. Denn er nennt nur die öffentliche Gewalt, nicht aber Privatpersonen.

Dann spricht auch die Entstehungsgeschichte gegen eine unmittelbare Drittwirkung. Denn die Grundrechte sind als Abwehrrechte des Einzelnen gegen den Staat entstanden.

Und zuletzt belegt die systematische Auslegung, dass nur bei wenigen Grundrechten die Wirkung ausdrücklich auf Private oder ein privates Rechtsverhältnis erstreckt wird (z.B. Art. 9 Abs. 3 S.2 GG, Art. 20 Abs. 4 GG).

Würden die Grundrechte allen gegenüber allen eine Bindung entfalten,würden Rechte gegenüber der öffentlichen Gewalt zu Pflichten gegenüber allen Mitbürgern.

Für eine Drittwirkung können zwei Argumente angeführt werden:

– Art. 1 Abs.2 GG .Hiernach sind die Menschenrechte Grundlage jeder menschenlichen Gemeinschaft.

– die Entwicklung des Rechtsstaates zum liberal,sozialen Rechtsstaat in dem Bedrohungen der Freiheit nicht nur vom Staat, sondern auch von gesellschaftlichen Kräften ausgehen.

Diese Argumente können aber nach h.M., h.L. und stRspr. des BVerfG nicht zu einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte führen. Vielmehr überwiegt eher die normative Kraft die aus dem Wortlaut, der Systematik und der Geschichte des Grundgesetzes ausgehen.

Mittelbare Drittwirkung

Bei der mittelbaren Drittwikung gelten die Grundrechte nicht unmittelbar im Privatrecht,sie prägen es aber. Denn die staatlichen Organe werden verpflichtet das staatliche Recht so anzuwenden, dass das Wertesystem der Grundrechte auch zwischen Privaten effektiv gemacht wird. Dabei strahlen die Grundrechte auf das bürgerliche Recht, vor allem in Form von Generalklauseln. Diese Klauseln werden auch als Einbruchstellen der Grundrechte in das bürgerliche Recht bezeichnet. Generalklauseln sind erkennbar an unbestimmten Rechtsbegriffen wie die guten Sitten, Treu und Glauben. Aber auch an den Begriffen „rechtmäßig“ oder „sittenwidrig“ können sie erkannt werden.

Die speziellen Normen stellen sich meist nur die Frage der Verfassungsmäßigkeit oder Verfassungswidrigkeit, bei Generalklauseln spielt die Frage der grundrechtskonformen oder nicht konformen Auslegung eine Rolle.

Nach stRspr. und h.L. zur unmittelbaren Drittwirkung gelten die Grundrechte nicht unmittelbar im Privatrecht, sie prägen es aber. Nach dem Lüth-Urteil (E 7,198 ) und dem Sozialplan-Urteil (E 73, 261) darf keine bürgerlich-rechtliche Vorschrift im Widerspruch zu den Grundrechten stehen, jede muss im Geiste ausgelegt werden.

Die mittelbare Drittwirkung kann auch als Ausprägung der Schutzfunktion der Grudrechte gesehen werden. Denn ihre Bedeutung ist nicht zu unterschätzen: jeder Bürger soll die gleichen Chancen zur Verfolgung und Durchsetzung seiner Interessen haben. Durch die Generalklauseln wird die von den Grundrechten verlangte Chancengleichheit möglich gemacht, ohne dabei einen Bürger gegenüber einem anderen wehr – oder schutzlos zu stellen.

Dazu:

Blinkfüer – E 25,256

“ Eine auf politischen Motiven beruhende Aufforderung zum Boykott eines Presseunternehmens, der vornehmlich mit wirtschaftlichen Machtmitteln durchgesetzt werden soll, ist nicht durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung geschützt und verstößt gegen das Grundrecht der Pressefreiheit.“

Bürgschaftsverträge – E 89, 214

„Die Zivilgerichte müssen – insbesondere bei der Konkretisierung und Anwendung von Generalklauseln wie § 138 und § 242 BGB – die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie in Art. 2 Abs. 1 GG beachten. Daraus ergibt sich ihre Pflicht zur Inhaltskontrolle von Verträgen, die einen der beiden Vertragspartner ungewöhnlich stark belasten und das Ergebnis strukturell ungleicher Verhandlungsstärke sind.“


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