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Die Selbstanzeige im Steuerrecht – Ein streitbares Institut

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Seit einiger Zeit häufen sich in den Medien die Meldungen von „Selbstanzeigen“ im Zusammenhang mit Vermögen im Ausland. Große Namen im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung finden so ihren Weg in die Presse, ob es ein Herr Zumwinkel, ein Herr Hoeneß, eine Frau Schwarzer oder ein Herr Schmitz ist. Steuerhinterziehung ist jedoch kein Hobby von Menschen in der Öffentlichkeit. Spätestens seit Bekanntwerden der berüchtigten Steuer-CD´s stieg die Anzahl der Selbstanzeigen – im Jahr 2013 zeigten sich mehr als 26 000 Menschen selbst an1.

Angesichts dieser Zahlen und den prominenten Fällen Uli Hoeneß2 und Alice Schwarzer3 entbrannte nun eine Diskussion um die Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige4.

Was ist eigentlich die „Selbstanzeige“? 

Die Selbstanzeige ist in § 371 AO geregelt „Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung„. Nach h.M. bildet sie einen persönlichen Strafaufhebungsgrund 5.

Das Institut der Selbstanzeige findet seine Rechtfertigung in rechtspolitischen Erwägungen, ihr Sinn und Zweck ist es, dem Staat bislang verheimlichte Steuerquellen zu eröffnen. So soll das in Aussicht stellen der Straffreiheit in § 371 AO den Hinterziehungstäter motivieren, nachträglich seine steuerliche Pflicht zu erfüllen und ihm die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit erleichtern6.

Eine wirksame Selbstanzeige hat sowohl positive als auch negative Wirksamkeitsvoraussetzungen. Die positiven Wirksamkeitsvorraussetzungen normieren die § 371 Abs. 1 und Abs. 3 AO. Demnach wird straffrei wer

  •  „in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt“  – die sog. Berichtigung.
  • sind bereits Steuerverkürzungen eingetreten, „so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet.“ – die sog. Wiedergutmachung.

Die negativen Wirksamkeitsvoraussetzungen ergeben sich aus § 371 Abs. 2 AO:

(2) Straffreiheit tritt nicht ein, wenn

  1. bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung
    a) dem Täter oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 bekannt gegeben worden ist oder
    b) dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist oder
    c) ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung, zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder
  2. eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste oder
  3. die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 50 000 Euro je Tat übersteigt.

Es kommt allein auf die objektiven Umstände (die positiven und negativen Wirksamkeitsvoraussetzungen) an, subjektive Vorstellungen sind unbeachtlich7.

Da die Selbstanzeige aus § 371 AO eine Norm des Strafrechts ist, wirken sich ihre Folgen auch nur strafrechtlich aus. Das Steuerverfahren als solches, insbesondere die steuerrechtlichen Folgen der Steuerhinterziehung bleiben hiervon unberührt8.

Es lässt sich also zusammenfassen: Eine Selbstanzeige ist nur dann möglich, wenn die unverjährte Steuerhinterziehung im Zeitpunkt der Selbstanzeige schon verübt wurde oder zumindest versucht wurde. Weiterhin ist sie nur dann wirksam und damit strafbefreiend, wenn alle Angaben berichtigt und die Nachzahlung innerhalb einer angemessenen Frist geleistet wird.

Die Selbstanzeige ist ein streitbares Institut. Einerseits ist sie eine Möglichkeit für den Steuerhinterzieher in die Steuerehrlichkeit zurückzukehren ohne dafür bestraft zu werden. Andererseits hat es „ein Geschmäckle“ wenn ein Täter für seine Tat nicht bestraft wird, weil er seine Angaben berichtigt und nachzahlt. Angesichts der Tatsache, dass hiervon auch „nur“ umverjährte Taten (die Steuerhinterziehung der letzten zehn Jahre) umfasst sind, fragt man sich doch wie dies mit jahrzehntelangen Steuerhinterziehungen vereinbar ist. Natürlich sind hier die Verjährungsvorschriften des § 78 StGB ausschlaggebend und natürlich darf eine verjährte Tat nicht geahndet werden – begangen wurde sie aber dennoch. Moralisch gesehen ist der Täter dann immer noch Täter, wenn auch nicht bestraft.

Auch die Diskussion (von Frau Schwarzer selbst losgetreten) um eine Verletzung des Steuergeheimnisses, des Persönlichkeitsrechts und gar „Rufmord“ mutet doch etwas bitter an. RiBGH Prof. Thomas Fischer schreibt dazu treffend in der Zeit (Lesenswert!! Täter, die sich für Opfer halten):

„[…]“Rufmord“, wie Schwarzer schreibt, begeht sie nicht. Rufmord ist es, einen rechtskräftig Freigesprochenen weiter als Täter darzustellen; nicht aber, einen Schuldigen als das zu bezeichnen, was er ist. Steuerhinterziehung ist keine kleine „Sünde“. Aber sie ist auch keine Tat, die den Kern einer Persönlichkeit entblößt und infrage stellt. Deshalb eignen sich Enthüllungen über Steuerhinterziehungen maximal zu ein bisschen verdienter Schadenfreude und Empörung über „die da oben“, die ihren erhobenen Zeigefinger als Richtungsweiser ausgaben und dabei verschwiegen, dass er zuvor an unangenehm riechenden Stellen steckte.[…]“

Auch Carsten Hoenig findet deutliche Worte (Lesenswert!!: Moral ist wichtig. Muß man doppelt haben.):

„[…]Dieser § 371 AO ist der in eine Rechtsnorm gegossene Ausdruck der Verlogenheit. Der Rücktritt vom vollendeten Delikt gegen Geldzahlung führt im Steuerrecht zur Straflosigkeit. Das ist so, als würde der Schläger nach seiner Tat zum Opfer sagen: „Och, das tut mir jetzt aber Leid!“, ihm 50 Euro für die zahnärztliche Versorgung zwischen die nicht mehr vorhandenen Zähne stecken und deswegen nicht mehr bestraft würde (denken Sie das Beispiel mal mit einer Sexualstraftat durch!). Von dieser Regelung hat Frau Schwarzer Gebrauch gemacht. Das ist keine Sternstunde einer vollendeten Moral.[…]“

Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Es ist nicht damit zu vergleichen, dass man „eine kleine Dummheit“ begangen hat. Steuerhinterziehung geht zu Lasten der Allgemeinheit, der Allgemeinheit die durch ihre Steuerbelastung staatliche Leistungen finanzieren, die alle in Anspruch nehmen. Zu „Alle“ zählen auch die Steuerhinterzieher.

Ob das Persönlichkeitsrecht durch die Mediale Verbreitung einer begangenen Straftat  – die im übrigen durch die Selbstanzeige auch noch zugegeben wurde! – tatsächlich verletzt ist, wage ich zu bezweifeln. Fakt ist: Die Tat wurde begangen, die Tat wurde durch den Täter selbst zur Anzeige gebracht und die Strafe wurde durch Zahlung vom Täter abgewendet. An welchem Punkt der Täter nun ein Anrecht auf Stillschweigen haben soll – insbesondere öffentliche Personen oder solche die sich für „Prominent“ halten – erschliesst sich mir nicht.

In jedem Fall aber sollte das Institut der Selbstanzeige kritisch überdacht und angepasst werden. Solange dies nicht geschehen ist, können sich „Betroffene“ noch schnell einen Anwalt für Steuerrecht suchen*, der sie im Falle des Falles vertritt.

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