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Der Besitz – Basics

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Im allgemeinen Sprachgebrauch oft genutzt, im juristischen aber zwei verschiedene Dinge: Besitz und Eigentum.

Besitz hat, wer rein tatsächlich die die Herrschaft über eine Sache ausüben kann ohne Rücksicht darauf, ob ihm ein Recht an der Sache zusteht1.

Das Eigentum hingegen ist das umfassendste absolute Zuordnungsrecht an einer Sache, vgl. § 903 BGB.

Nach hM ist der Besitz kein Recht, sondern eine Rechtsposition2.

Daher kommt es für den Besitz nicht auf die Berechtigung der Besitzbeziehung an3. Demnach kann auch durch rechtswidrige Handlungen, wie z.B. Diebstahl oder Unterschlagung, Besitz begründet werden.

Gegenstand des Besitzes können nur bewegliche oder unbewegliche Sachen (§ 90 BGB) oder Sachteile sein, gem. § 90a BGB finden die Besitzvorschriften entsprechende Anwendung auf Tiere.

Funktionen des Besitzes 

Besitzschutz – Die Regelungen der §§ 854 – 872 BGB schützen die mit dem Besitz bezeichnete Beziehung am Gegenstand, um Selbsthilfe zu verhindern und für Rechtsfrieden zu sorgen4.

Der Besitz gewährt also Schutz vor Störungen und Entzug. Verankert ist dies im possessorischen Besitzschutz, §§ 859 ff. BGB, petitorischen Besitzschutz, § 1007 Abs. 1 und § 1007 Abs. 2 BGB, deliktischen Schutz, § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 iVm § 858 BGB und im bereicherungsrechtlichen Schutz, § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 od. 2 BGB.

Kontinuität – Unter Umständen hat der Besitzer ein Interesse daran, möglichst lange die Sachherrschaft zu erhalten, sei es aus wirtschaftlichen Gründen oder auch aufgrund eines emotionalen – nicht wirtschaftlich messbarer – Wertes5.

Dieses Interesse findet sich im Gesetz an verschiedenen Stellen wieder: § 566 BGB – Kauf bricht nicht Miete, § 986 Abs. 2 BGB – Das Besitzrecht gilt auch gegenüber dem Rechtsnachfolger, § 268 Abs. 1 S.2 BGB – Ablösungsrecht des Besitzers bei drohender Zwangsvollstreckung.

Publizität – Der Besitz ist für den Rechtserwerb erforderlich und erfüllt damit den Grundsatz der Offenkundigkeit. Denn der Besitzwechsel ist ein wahrnehmbarer Umstand des Eigentümerwechsels und daher im Rahmen des Eigentumserwerbs erforderlich6.

Ersichtlich ist dies aus den Regelungen im Gesetz: §§ 929 S. 1, 1032, 1205 BGB – Übergabeerfordernis bei Rechtsübertragung, § 959 BGB – Die Aufgabe des Eigentums erfordert den Besitzverlust, § 1006 BGB Besitz lässt Eigentum vermuten u.s.w.

 Arten des Besitzes 

Das Gesetz gestaltet die verschiedenen Besitztatbestände nach den ihnen zugedachten Funktionen aus7. Die einzelnen Besitzarten lassen sich grob gliedern (Gliederung nach: Baur/Stürner, Sachenrecht, § 7, Rn. 3):

  • nach dem Grad der Sachbeziehung: unmittelbarer Besitz, § 854 BGB und mittelbarer Besitz, § 868 BGB
  • nach der sozialen Einordnung des die tatsächliche Gewalt Ausübenden: Besitzer, § 854 BGB und Besitzdiener, § 855 BGB
  • nach der Möglichkeit, den Besitz allein oder nur zusammen mit anderen auszuüben: Alleinbesitz (nicht ausdrücklich geregelt) und Mitbesitz, § 866 BGB
  • nach der Willensrichtung, mit der jemand besitzt: Eigenbesitz, § 872 BGB und Fremdbesitz

Diese Gliederung ist nicht starr, es kann auch Mischformen der einzelnen Besitzarten geben. Doch zur ersten Veranschaulichung lassen sich die Besitzarten so unterscheiden.

Der unmittelbare Besitz ist zwar nicht ausdrücklich geregelt, jedoch hat das BGB Regelungen über den Erwerb (§ 854 BGB) und den Verlust (§ 856 BGB) des unmittelbaren Besitzes, in § 854 BGB heisst es: „Der Besitz einer Sache wird durch die Erlangung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erworben.“. Unmittelbarer Besitz ist gegeben, wenn jemand die tatsächliche Sachherrschaft von gewisser Dauer und mit einem Besitzwillen über eine Sache ausübt. Die hM zieht zur Beurteilung des Vorliegens der tatsächlichen Sachherrschaft die Verkehrsanschauung heran8. Indizien sind die räumliche Beziehung zur Sache und eine gewisse Dauer dieser Sachbeziehung9.

Der mittelbare Besitz ist in § 868 BGB geregelt. Er liegt vor, wenn eine Person die tatsächliche Sachherrschaft für sich durch einen Besitzmittler aufgrund eines Besitzmittlungsverhältnisses ausüben lässt.  Der Besitzmittler muss dabei unmittelbaren Besitz haben, er muss hierbei jedoch den mittelbaren Besitzer als „Oberbesitzer“ anerkennen10.

Ein Besitzmittlungsverhältnis iSd § 868 BGB ist jedes hinreichend bestimmte Lebensverhältnis, aus dem der unmittelbare Besitzer sein Besitzrecht vom Oberbesitzer ableitet und welches das Verhalten des Unterbesitzers genügend bestimmt. Dieses Besitzmittlungsverhältnis muss auch auf Zeit bestehen, so dass der mittelbare Besitzer einen Herausgabeanspruch gegenüber dem Besitzmittler hat.

Ein Beispiel zur Veranschaulichung:

Der Vermieter (V) vermietet an den Mieter (M) eine Wohnung. Der M ist unmittelbarer Besitzer der Wohnung, er besitzt als Fremdbesitzer. Der Besitz des M ist auch nur „auf Zeit“ – die Dauer des Mietverhältnisses – begründet und abschliessend hat der V nach Beendigung des Mietverhältnisses eine Herausgabeanspruch gegen den M. V hingegen hat für die Dauer des Mietverhältnisses nur mittelbaren Besitz, da er die tatsächliche Sachherrschaft über die Wohnung durch den M ausüben lässt. 

Der Begriff des Besitzdieners wird in § 855 BGB ausgeführt: „Übt jemand die tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen anderen in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältnis aus, vermöge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen Folge zu leisten hat, so ist nur der andere Besitzer.“. Der Besitzdiener wird als Werkzeug des Besitzers angesehen11. Voraussetzungen für die Annahme einer Besitzdienerschaft sind:

Bestehen eines sozialen Abhängigkeits -/Weisungsverhältnisses. Es kann aus Gesetz oder Vertrag folgen. Die Wirksamkeit des Verhältnisses spielt keine Rolle solange der Besitzdiener sich funktionell unterordnet.Ausüben der Sachherrschaft im Rahmen dieses Weisungsverhältnisses. Maßgeblich ist die objektive Lage (hM), d.h. der Besitzdiener muss sich erkennbar den Weisungen des Besitzherrn unterordnen12.

Beispiele für Besitzdiener:

  • Angestellte im Ladengeschäft13
  • Haushaltshilfe,
  • geschäftsunfähige Kinder sind Besitzdiener an den Gegenständen, die ihnen die Eltern überlassen haben14.

Alleinbesitz ist der angenommene Regelfall und nicht ausdrücklich geregelt. Alleinbesitz ist die Sachherrschaft über eine Sache unter Ausschluss anderer Personen15.

Mitbesitz ist die gemeinschaftliche ausgeübte Sachherrschaft über eine Sache. Innerhalb der Besitzform des Mitbesitzers gibt es wiederum verschiedene Arten:

Einfacher Mitbesitz liegt vor, wenn jeder Mitbesitzer die Sache für sich allein neben den anderen nutzen kann. (Beispiele: gemeinsamer Fahrstuhl, gemeinsamer Waschraum, gemeinsamer Garten, gemeinsamer Fahrradkeller).

Qualifizierter Mitbesitz liegt vor, wenn die Sache nur gemeinschaftlich zugänglich ist. Beispiel: Schließfach bei der Bank. Für gewöhnlich haben Schließfächer bei der Bank zwei verschiedene Schlüssel. Einen Schlüssel hat der Kunde, den anderen die Bank. (Legal) Öffnen lässt sich das Schließfach nur mit beiden Schlüsseln.

„Wer eine Sache als ihm gehörend besitzt, ist Eigenbesitzer.“ – § 872 BGB. Demnach ist Fremdbesitzer, wer die Sache für einen anderen besitzt. Unterschieden wird hier nach dem Willen desjenigen der die Sachherrschaft ausübt. Relevant ist diese Unterscheidung vor allem im gesetzlichen Eigentumserwerb, Bsp: § 937 BGB – Ersitzung, § 955 BGB – Fruchterwerb des Eigenbesitzers usw.

Literaturempfehlungen (zur Vertiefung oder vollständigen Verwirrung ;( ): 

Lehrbücher

Übungsfälle 

  • Gottwald, PdW Sachenrecht, 15. Auflage 2010, 1. Kapitel
  • Schwabe, Lernen mit Fällen, 8. Auflage 2013, Fälle 1,2

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  1. Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht, § 1, Rn. 11.
  2. Lüke, Sachenrecht, § 2, Rn. 46.
  3. Lüke, Sachenrecht, § 2, Rn. 47.
  4. Lüke, Sachenrecht, § 2, Rn.49.
  5. Baur/Stürner,Sachenrecht, § 6, Rn. 3ff.
  6. Lüke, Sachenrecht, § 2, Rn.50, 51.
  7. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 7, Rn. 1ff.
  8. Lüke, Sachenrecht, § 2, Rn. 54.
  9. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 7, Rn. 5 ff.
  10. Lüke, Sachenrecht, § 2, Rn. 57.
  11. Lüke, Sachenrecht, § 2, Rn. 70.
  12. Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht, § 4, Rn. 33.
  13. RGZ 51,20 (23).
  14. Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht,§ 4, Rn. 33 // Baur/Stürner, Sachenrecht, § 7, Rn. 68.
  15. Baur/Stürner, Sachenrecht, § 7, Rn. 76.

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