Für Anfänger und Fortgeschrittene gleichermassen geeignet ist das Werk von Johann Braun. Für jeden, der sich im Laufe des Studiums die Frage stellt: „Was mache ich hier eigentlich?“ kann dieses Buch der Retter aus dem schwarzen Loch sein, dergestalt, das der Autor die manchmal unendlichen Tiefen der Rechtswissenschaft plausibel, alltagstauglich und überaus unterhaltsam darstellt. Darüber hinaus nimmt sich Braun der häufig vernachlässigten Rechtsphilosophie an und motiviert zudem den Leser die Dinge auch mal kritisch zu hinterfragen. Auf 406 Seiten, die in 4 große Kapitel übersichtlich gegliedert sind, widmet sich dieses Buch aber auch solchen Themen, die in der gängigen Rechts-Literatur nicht immer einen festen Platz bekommen, so zum Beispiel die Geschichte des Rechts, Rechtsphilosophie und Gedanken zu Recht, Unrecht, Sitte und Moral.
Gleich zu Beginn des ersten Teils greift Braun zu einem Auszug aus Franz Kafkas „Der Prozeß“ und führt zu einer diesbezüglichen Interpretation von „Recht“. Dabei wird dem Leser kein „Fertiggericht“ vorgesetzt, sondern er wird animiert eigene Gedanken zum Recht zu entwickeln. Diesen Ansatz kann man mit Fug und Recht als den „roten Faden“ dieses Buches verstehen, denn zum Ende des Buches begegnet Kafka dem Leser erneut.
Im weiteren folgt ein Beitrag zur juristischer Anthropologie. Das Verhältnis des Menschen zum Recht wird von allen Seiten beleuchtet. Dabei spielt die Verwirklichung von Recht im Alltag eine Rolle, das Verhältnis von Gewohnheit und Recht und die Sitte. Insgesamt beleuchtet Braun alle Facetten von Recht im Sozialverhalten und vergisst dabei nicht, die fliessenden Grenzen von Sitte und Recht, aber auch die Unsitte einfliessen zu lassen. Gleichwohl widmet er sich der Entstehungsgeschichte des Rechts und nutzt dazu die Lehre der Rechtsquellen. Stichworte wie Idealität und Realität werden dabei unter heutigen Aspekten besprochen.
Interessant für jeden angehenden Juristen ist die Frage der Gerechtigkeit. Braun führt den Leser über die Strafe zu einem alternativen Lösungsansatz der grossen Gerechtigkeitsfrage . Neben den strafrechtlichen Aspekten spielt konsequenterweise dabei die formelle und materielle Gerechtigkeit in der Betrachtung des Autors eine wesentliche Rolle. Inhaltlich ergänzt wird in drei Abschnitten das Verhältnis von Recht und Politik sowie Moral und Wirtschaft.
Weiter beschäftigt sich Braun mit der Rechtsordnung. Der richtige Platz für die juristischen Denk- und Ordnungsmuster. Neben Normenpyramide und Normenkreis, wird auch das subjektive und objektive Recht dargestellt. Sodann geht Braun über die einzelnen Gebiete der Rechtsordnung zu umschreiben. Neben dem Privatrecht und dessen Bedeutung im Alltag (z.B. in Fragen des Eigentums, Vertragsfragen ect.) durchleuchtet der Autor das Familienleben, das Arbeitsrecht und Verbände nichtstaatlicher Art. Dem folgt das Öffentliche Recht mit einer umfassenden Darstellung der Staatsprinzipien der BRD. Gehaltvolle Informationen zur nationalen Rechtsordnung werden komplettiert durch Abhandlungen zur Staatsgewalt und zur Verfassung. Vervollständig wird das 2. Kapitel mit der komplexen Thematik des internationalen Rechts, in der Braun das internationale Privatrecht, das Völkerrecht und das Europarecht ausführlich dokumentiert. Kritisches Hinterfrage bgzl der Entstehung und der Anwendung des internationalen Rechts geben diesem Beitrag zusätzliche „Würze“.
Das nächste Kapitel gehört allein der Rechtsdogmatik und der Methodenlehre. Ist Rechtswissenschaft überhaupt wissenschaftlich oder doch nur ein Nutzen und Ablesen von Paragraphen? Auf insgesamt 34 Seiten wird diese immer wiederkehrende Frage mit Fakten und Daten angereichert. Stichpunkte wie die Auslegung „klarer“ und „unbestimmter“ Rechtsnorm, Gesetzestreue und Gerechtigkeit, Gesetz und Vernunft oder aber der Rechtssprechungspositivismus führen in diesem Teil des Buches zum großen Ganzen. Die Technik der Subsumtion darf hier natürlich ebenfalls nicht fehlen.
Im letzten Kapitel des Buchs geht Braun auf die Gesetzgebung ein. Auch wenn vor dem Gesetzt alle Menschen gleich sind, so ist es doch interessant auch hier einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Neben Funktion und Gesetzgebungslehre stellt er vor allem die Realität der Gesetzgebung dar. Interessant mag dieser Teil des Buches besonders für diejeningen Leser sein,die Staatsorganisationsrecht bislang eher trocken fanden, denn neben vielen Antworten gibt es – ganz im Stile des Buches – natürlich auch wieder viele Fragen, die schlussendlich schon fast zum „interaktiven“ Lesen animieren.
Im Namen der Rezensorin ergeht für dieses Buch folgendes Urteil:
Meine anfängliche Skepsis „Noch so ein Allgemeinwerk zu Jura …“ hat sich nach der ersten Seite zerstreut. Meiner Meinung nach deckt dieses Buch alle Fragen ab die im laufenden Studium den Kopf verstopfen. Es hat mir ermöglicht die Rechtswissenschaft von einer nicht tagesgeschäft-relevanten Seite zu betrachten. Und mir dennoch (oder gerade deshalb) das Gefühl vermittelt meinen juristischen Horizont erweitert zu haben.
Johann Braun
Einführung in die Rechtswissenschaft
Verlag Mohr Siebeck
ISBN 978-3-16-149401-7
24,00 €
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