Juristischer Gedankensalat

Rund um das Studium der Rechtswissenschaften

Würde und andere Werte – Ferdinand von Schirach und Harald Martenstein beim LitPotsdam

| Keine Kommentare

Bereits zum dritten Mal fand das Lit:Potsdam statt. Ein Literaturfestival in Potsdam mit dem gleichsam starken, wie auch einprägsamen Motto „Starke Worte.Schöne Orte“. Bereits am Freitagabend war ich bei der Eröffnung im Garten der Villa Jacobs dabei und lauschte den Worten Martin Walsers.

Am Sonntag, bei Kaiserwetter mit 33 Grad, fand im Hans Otto Theater eine Lesung statt, zu der ich nicht hitzefrei nehmen wollte: Ferdinand von Schirach und Harald Martenstein lasen aus ihren letzten Werken und diskutierten im Anschluss mit Jörg Thadeusz über die Konjunktur menschlicher Grundwerte im digitalen Zeitalter.

Ferdinand von Schirach, seines Zeichens Strafverteidiger und Autor, hat zuletzt eine Sammlung seiner Essays aus dem Spiegel mit dem Titel „Die Würde des Menschen ist antastbar“ herausgebracht. Eine Betrachtung der Welt mit all ihren Makeln, Errungenschaften und Widersprüchen. Aber auch Gedanken zur Frage der Würde, des Umgangs mit dem Recht und  durch das Recht. Nicht nur die Essays sind lesenswert, auch seine bereits verfilmten Bücher „Schuld“ und „Verbrechen“, sowie die Romane „Der Fall Collini“ und „Tabu“.

Harald Martenstein ist Publizist und Autor, einige werden seine Kolumnen aus der Zeit kennen. Er schreibt über die Dinge die den Menschen umtreiben, über Alltägliches, Skurriles und Verworrenes. Seine Art den Menschen einen Spiegel vorzuhalten und ihre Ansichten in Frage zu stellen, ist erfrischend und erhellend zugleich. Manchmal etwas boshaft, stets aber auf den Punkt, bringt er die manchmal wirklich widersprüchlichen Ansichten der Welt zu Papier.

Am Sonntag trafen damit zwei Autoren aufeinander, die beide gleichermaßen die Welt kritisch, aber nie ohne eine Prise Humor, betrachten. Irgendwie verloren wirkte da zeitweilig Jörg Thadeusz, Moderator des RBB, der humorvoll durch die Lesungen und die anschließende Diskussion führte. Von Schirach, der orientalische Eröffnungen wohl nicht sehr schätzt, brachte die Problematik des Sommers auch gleich gut auf den Punkt: Seiner Ansicht nach, scheint mit wachsendem Wohlstand die Kleidung automatisch weniger zu werden. Aus diesem Grunde besucht er auch keine Freibäder. Dieses Vorhaben würde derzeit so oder so nicht zum Erfolg führen, Harald Martenstein hat es ausprobiert und musste feststellen, dass er erstmal über die Menschen am Beckenrand klettern müsste, um ins Wasser zu kommen. Wobei hier auch gleich das nächste Problem liegt: Man muss ja auch wieder heraus 🙂

Martenstein gab einige seiner Kolumnen zum Besten, passender hätte die Themenwahl nicht sein können. So klärte er  ein neues Phänomen auf: Das Lösen von Problemen, die es vor der Lösung noch nicht gab – Moderne Lichtschalter. Aber auch kritische Worte blieben nicht aus, zum Beispiel über die Debatte zum Verbot von Prostitution – Über Sex gegen Bezahlung und die Sargpflicht (klare Leseempfehlung!). Viele der Texte sind auf der Webseite der Zeit abrufbar: Serie Martenstein.  Seine Betrachtung der Dinge ist stets ernst, aber humorvoll, nie verletzend. So ist für Martenstein eines klar: Man kann keinen Witz über jemand anderen machen, ohne diesen in seiner Würde zu verletzen. Damit würde aber gleichzeitig auch der Humor verboten werden, denn die Würde ist ja unantastbar. Ebenso zeigt er aber auch auf satirische Art und Weise wie schnell die Meinung der Menschen einen anderen in die falsche Ecke drängen kann. Ich möchte an dieser Stelle auf die Frage nach den rechtsradikalen Tendenzen Roberto Blancos hinweisen. Eine Frage die so absurd erscheint, aber mit einfachen Mitteln beantwortet werden kann.

Von Schirach sprach über das „Böse“. Anhand des treffend gewählten Beispiels des Todesurteils gegen Jean Calas macht er für den Zuhörer den Beginn der Aufklärung greifbar. Voltaire nahm diesen Fall zum Anlass über eben jene Fragen zu schreiben, die auch heute den Strafprozess umtreiben und einen Einblick, wenn auch einen kurzen, über die Entwicklung unseres Strafrechtssystems. Beantwortet hat er die Frage nach „Was ist das Böse?“ nicht, das wäre auch nicht möglich. Denn, so von Schirach, der Mensch ist immer beides, egal ob Gut oder Böse, es ist immer derselbe Mensch. Philosophische Gedanken zur Frage der Schuld, verpackt in das Beispiel von Adam und Eva. Der kritischen Frage ob Gott nicht selbst den Anlass zur verbotenen Frucht gegeben hat und Adam vielleicht ohne Vorsatz gehandelt hat, folgte sodann die Frage „Was ist eigentlich mit der Schlange?“. Ein nicht zu lösendes Mysterium.

Eine erfrischende Lesung, nicht zuletzt auch der wirklich geglückten Wahl der Autoren geschuldet. Auch wenn ich, mangels Toleranz gegenüber dem Wetter auf eine Signierung meiner Bücher verzichtet habe, habe ich jede Menge aus der Lesung mitgenommen. Zum Beispiel die Erkenntnis, dass Jörg Thadeusz rote Socken offensichtlich eine Wirkung auf Herrn von Schirach haben und das Harald Martenstein eine Tendenz zur Freikörperkultur von der Gage abhängig macht.

In diesem Sinne: Eine eindeutige Empfehlung Lesungen beider Autoren zu besuchen und natürlich eine klare Leseempfehlung ihrer Werke!

Hier gibt es noch bewegte Bilder und kleine Ausschnitte:

http://www.rbb-online.de/brandenburgaktuell/archiv/20150705_1930/abschluss-potsdamer-festival.html


Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.